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Kapitel16:
(1) Inzwischen verlangte Caesar täglich von den Häduern das Getreide, das
sie im Namen ihres Stammes versprochen hätten.
(2) Denn wegen der kalten Witterung, weil Gallien nach Norden, wie oben
erwähnt, liegt, war nicht nur das Getreide auf den Feldern nicht reif,
sondern es war auch nicht einmal an Grünfutter eine genügend große Menge
vorhanden;
(3) dasjenige Getreide aber, das Caesar auf der Saone in Schiffen
nachgeführt hatte, konnte er deshalb weniger verwenden, weil die Helvetier
von der Saone abgebogen waren, von denen er nicht weggehen wollte.
(4) Von Tag zu Tag zogen die Häduer die Sache hin: man liefere ab, man
speichere auf, das Getreide sei da, sagten sie.
(5) Sobald Caesar einsah, daß er zu lange hingehalten wurde und daß der Tag
bevorstand, an dem man den Soldaten ihr Getreide zuteilen mußte, nachdem
ihre Fürsten zusammengerufen waren, von denen er eine große Menge im Lager
hatte, unter diesen Diviacus und Liscus, der das höchste Amt verwaltete,
den die Häduer Vergobret nennen, der jährlich gewählt wird und Gewalt über
Leben und Tod den Untergebenen gegenüber besitzt -
(6) klagt er sie schwer an, daß er, obgleich weder gekauft noch von den
Feldern genommen werden könnte, in so gefährlicher Zeit, bei solcher Nähe
der Feinde von ihnen nicht unterstützt werde, zumal da er, zu einem großen
Teile durch ihre Bitten veranlaßt, den Krieg unternommen habe, viel
schwerer noch beklagt er sich, daß er hintergangen sei.
Interim cotidie Caesar Haeduos frumentum, quod essent publice polliciti, flagitare. Nam propter frigora [quod Gallia sub septentrionibus, ut ante dictum est, posita est,] non modo frumenta in agris matura non erant, sed ne pabuli quidem satis magna copia suppetebat; eo autem frumento quod flumine Arari navibus subvexerat propterea uti minus poterat quod iter ab Arari Helvetii averterant, a quibus discedere nolebat. Diem ex die ducere Haedui: conferri, comportari, adesse dicere. Ubi se diutius duci intellexit et diem instare quo die frumentum militibus metiri oporteret, convocatis eorum principibus, quorum magnam copiam in castris habebat, in his Diviciaco et Lisco, qui summo magistratui praeerat, quem vergobretum appellant Haedui, qui creatur annuus et vitae necisque in suos habet potestatem, graviter eos accusat, quod, cum neque emi neque ex agris sumi possit, tam necessario tempore, tam propinquis hostibus ab iis non sublevetur, praesertim cum magna ex parte eorum precibus adductus bellum susceperit; multo etiam gravius quod sit destitutus queritur.
Kapitel17:
(1) Jetzt erst bringt Liscus, durch die Rede Caesars veranlaßt, vor, was er
vordem verschwiegen hatte: Es gebe einige, deren Ansehen beim niederen
Volke sehr viel gelte, die als Privatleute größeren Einfluß besäßen als
selbst die Behörden.
(2) Diese hielten durch aufrührerische und boshafte Rede die große Masse
davon zurück, das Getreide zu liefern, das sie liefern sollten:
(3) es sei besser, wenn sie schon die Führung in Gallien nicht behaupten
könnten, das Regiment der Gallier als das der Römer zu ertragen;
(4) auch zweifelten sie nicht daran, daß die Römer, wenn sie die Helvetier
überwunden hätten, zusammen mit dem übrigen Gallien den Häduern die
Freiheit rauben würden.
(5) Von denselben würden unsere Pläne und was im Lager vor sich gehe den
Feinden verraten; diese könnten von ihm nicht im Zaume gehalten werden.
(6) Ja, was er, durch die Notlage gezwungen, Caesar mitgeteilt habe, so
sehe er ein, unter welch großer Gefahr er das getan habe, und aus diesem
Grunde habe er, so lange er gekonnt, geschwiegen.
Tum demum Liscus oratione Caesaris adductus quod antea tacuerat proponit: esse non nullos, quorum auctoritas apud plebem plurimum valeat, qui privatim plus possint quam ipsi magistratus. Hos seditiosa atque improba oratione multitudinem deterrere, ne frumentum conferant quod debeant: praestare, si iam principatum Galliae obtinere non possint, Gallorum quam Romanorum imperia perferre, neque dubitare [debeant] quin, si Helvetios superaverint Romani, una cum reliqua Gallia Haeduis libertatem sint erepturi. Ab isdem nostra consilia quaeque in castris gerantur hostibus enuntiari; hos a se coerceri non posse. Quin etiam, quod necessariam rem coactus Caesari enuntiarit, intellegere sese quanto id cum periculo fecerit, et ob eam causam quam diu potuerit tacuisse.
Kapitel18:
(1) Caesar merkte, daß durch diese Rede des Liscus Dumnorix, der Bruder des
Diviacus gemeint sei, aber, weil er nicht wollte, daß diese Angelegenheiten
in Anwesenheit mehrerer erörtert würden, entläßt er schnell die
Versammlung, den Liscus behält er zurück.
(2) Er befragt ihn unter vier Augen über das, was er in der Zusammenkunft
geäußert hatte.
(3) Er äußert sich freier und kühner. Nach dem gleichen erkundigt sich
Caesar im geheimen bei anderen; er fand, daß es wahr war. Dumnorix selbst
sei es, von äußerster Verwegenheit, von großer Beliebtheit beim niederen
Volke wegen seiner Freigiebigkeit und begierig nach Neuerungen. Mehrere
Jahre habe er die Zölle und alle übrigen staatlichen Einkünfte der Häduer
für einen geringen Preis gekauft und zwar deswegen, weil, wenn er biete,
niemand dagegen zu bieten wage.
(4) Dadurch habe er sowohl sein persönliches Vermögen vergrößert als auch
reiche Mittel zum Schenken erworben;
(5) eine große Zahl Reiterei unterhalte er immer auf eigene Kosten und habe
sie um sich,
(6) und nicht nur in der Heimat, sondern auch bei den Nachbarstämmen sei
sein Einfluß groß, und dieses Einflußes wegen habe er seine Mutter im Lande
der Bituriger an einen äußerst vornehmen und mächtigen Mann verheiratet,
(7) er selbst habe eine Frau aus Helvetien und eine Schwester von
mütterlicher Seite sowie seine (übrigen) weiblichen Verwandten in andere
Stämme verheiratet.
(8) Wegen dieser Verwandschaft sei er den Helvetiern günstig gesinnt und
gewogen, er hasse auch aus persönlichen Gründen Caesar und die Römer, weil
durch ihre Ankunft seine Macht geschwächt und sein Bruder in seine alte
Stellung von Gunst und Ansehen wieder eingesetzt worden sei.
(9) Wenn den Römern etwas widerfahre, so komme er in die höchste Hoffnung,
mit Hilfe der Helvetier die Königsherrschaft zu erlangen; unter der
Herrschaft des römischen Volkes gebe er die Hoffnung nicht nur auf die
Königsherrschaft auf, sondern auch auf die Behauptung des Einflußes, den er
besitze.
(10) Caesar bekam auch bei der Untersuchung nach und nach heraus, daß in
dem unglücklichen Reitertreffen vor wenigen Tagen der Anfang mit seiner
Flucht von Dumnorix und seinen Reitern gemacht worden sei - denn die
Reiterei, die die Häduer Caesar zu Hilfe geschickt hatten, stand unter dem
Befehle des Dumnorix; durch deren Flucht sei die übrige Reiterei erschreckt
worden.
Caesar hac oratione Lisci Dumnorigem, Diviciaci fratrem, designari sentiebat, sed, quod pluribus praesentibus eas res iactari nolebat, celeriter concilium dimittit, Liscum retinet. Quaerit ex solo ea quae in conventu dixerat. Dicit liberius atque audacius. Eadem secreto ab aliis quaerit; reperit esse vera: ipsum esse Dumnorigem, summa audacia, magna apud plebem propter liberalitatem gratia, cupidum rerum novarum. Complures annos portoria reliquaque omnia Haeduorum vectigalia parvo pretio redempta habere, propterea quod illo licente contra liceri audeat nemo. His rebus et suam rem familiarem auxisse et facultates ad largiendum magnas comparasse; magnum umerum equitatus suo sumptu semper alere et circum se habere, neque solum domi, sed etiam apud finitimas civitates largiter posse, atque huius potentiae causa matrem in Biturigibus homini illic nobilissimo ac potentissimo conlocasse; ipsum ex Helvetiis uxorem habere, sororum ex matre et propinquas suas nuptum in alias civitates conlocasse. Favere et cupere Helvetiis propter eam adfinitatem, odisse etiam suo nomine Caesarem et Romanos, quod eorum adventu potentia eius deminuta et Diviciacus frater in antiquum locum gratiae atque honoris sit restitutus. Si quid accidat Romanis, summam in spem per Helvetios regni obtinendi venire; imperio populi Romani non modo de regno, sed etiam de ea quam habeat gratia desperare. Reperiebat etiam in quaerendo Caesar, quod proelium equestre adversum paucis ante diebus esset factum, initium eius fugae factum a Dumnorige atque eius equitibus (nam equitatui, quem auxilio Caesari Haedui miserant, Dumnorix praeerat): eorum fuga reliquum esse equitatum perterritum.
Kapitel19:
(1) Nachdem dies in Erfahrung gebracht worden war, da zu diesen
Verdachtsgründen die völlig sicheren Tatsachen hinzukamen, daß er die
Helvetier durchs Land der Sequaner geführt habe, daß er unter ihnen habe
Geiseln stellen lassen, daß er dies alles nicht bloß seinen und des Stammes
Befehl, sondern sogar ohne ihr Wissen getan habe und daß er von dem
Oberhaupte der Häduer beschuldigt werde, glaubte Caesar, es sei genügend
Grund vorhanden, daß er gegen ihn entweder selbst einschreiten werde oder
dem Stamme einzuschreiten befehle.
(2) Diesen Gründen allen stand nur das eine dagegen, daß er seines Bruders
Diviciacus Ergebenheit dem römischen Volke gegenüber, als die höchste,
seine ausgezeichnete Treue, Gerechtigkeit und Maßhaltung kennegelernt
hatte; denn er füchtete, durch seine Hinrichtung Diviciacus zu kränken.
(3) Daher läßt er, bevor er etwas unternimmt, Diviciacus zu sich rufen, und
nach Entfernung der alltäglichen Dolmetscher bespricht er sich mit ihm
durch Vermittlung des Gajus Valerius Procillus, eines Fürsten der Provinz
Gallien, eines guten Freundes von ihm, dem er in allen Dingen das höchste
Vertrauen schenkte;
(4) zugleich erinnert er daran, was in seiner Gegenwart in der Versammlung
der Gallier über Dumnorix gesagt worden ist, und offenbart, was jeder
einzeln über ihn bei ihm gesagt hat.
(5) Er bittet und fordert ihn auf, daß er ohne eine Kränkung seinerseits
entweder selbst inbetreff seiner nach Untersuchung der Sache beschließen
oder dem Stamme zu beschließen befehlen dürfe.
Quibus rebus cognitis, cum ad has suspiciones certissimae res accederent, quod per fines Sequanorum Helvetios traduxisset, quod obsides inter eos dandos curasset, quod ea omnia non modo iniussu suo et civitatis sed etiam inscientibus ipsis fecisset, quod a magistratu Haeduorum accusaretur, satis esse causae arbitrabatur quare in eum aut ipse animadverteret aut civitatem animadvertere iuberet. His omnibus rebus unum repugnabat, quod Diviciaci fratris summum in populum Romanum studium, summum in se voluntatem, egregiam fidem, iustitiam, temperantiam cognoverat; nam ne eius supplicio Diviciaci animum offenderet verebatur. Itaque prius quam quicquam conaretur, Diviciacum ad se vocari iubet et, cotidianis interpretibus remotis, per C. Valerium Troucillum, principem Galliae provinciae, familiarem suum, cui summam omnium rerum fidem habebat, cum eo conloquitur; simul commonefacit quae ipso praesente in concilio [Gallorum] de Dumnorige sint dicta, et ostendit quae separatim quisque de eo apud se dixerit. Petit atque hortatur ut sine eius offensione animi vel ipse de eo causa cognita statuat vel civitatem statuere iubeat.
Kapitel20:
(1) Diviacus, unter vielen Tränen Caesar umarmend, begann ihn zu
beschwören, er möge nicht zu streng gegen seinen Bruder vorgehen.
(2) Er wisse, daß jenes wahr sei und niemand empfinde darüber mehr Kummer
als er, und zwar deshalb, weil, während er selbst den größten Einfluß in
seiner Heimat und im übrigen Gallien besessen habe jener wegen seiner
Jugend ganz wenig gegolten habe und durch ihn emporgekommen sei: diese
Machtmittel und diesen Einfluß benutze er nicht nur zur Schwächung seines
Ansehens, sondern beinahe zu seinem Verderben.
(3) Er jedoch lasse sich durch Bruderliebe und die Meinung des Volkes
bewegen.
(4) Wenn ihm nun etwas zu schweres von Caesar widerfahre, obgleich er
selbst diese freundschaftliche Stellung bei ihm einnehme, werde niemand
glauben, er sei nicht mit seinem Willen geschehen; die Folge davon werde
sein, daß sich des gesamten Galliens Gesinnung von ihm abwenden würde. Als
er dies mit mehr Worten weinend von Caesar erbat, ergreift dieser seine
Rechte; er tröstet und bittet ihn, seinem Bitten ein Ende zu machen; er
weist darauf hin, daß ihm seine Beliebtheit bei ihm so viel gelte, daß er
sowohl das Unrecht dem römischen Staate gegenüber, als auch seine
persönliche Kränkung seinem Wunsche und seiner Fürbitte gleichsam schenke.
(5) Dumnorix ruft er zu sich; den Bruder zieht er hinzu; was er an ihm zu
tadeln hat, legt er da; was er selbst wahrnimmt, worüber sich der Stamm
beschwert, tut er ihm kund; für die Zukunft möge er all Veranlassungen zu
Verdacht vermeiden; das Vergangene, so erklärt er, verzeihe er dem Bruder
Diviacus zuliebe. Dem Dumnorix stellt Wächter, damit er, was er tut, mit
wem er sich bespricht, wissen kann.
Diviciacus multis cum lacrimis Caesarem complexus obsecrare coepit ne quid gravius in fratrem statueret: scire se illa esse vera, nec quemquam ex eo plus quam se doloris capere, propterea quod, cum ipse gratia plurimum domi atque in reliqua Gallia, ille minimum propter adulescentiam posset, per se crevisset; quibus opibus ac nervis non solum ad minuendam gratiam, sed paene ad perniciem suam uteretur. Sese tamen et amore fraterno et existimatione vulgi commoveri. Quod si quid ei a Caesare gravius accidisset, cum ipse eum locum amicitiae apud eum teneret, neminem existimaturum non sua voluntate factum; qua ex re futurum uti totius Galliae animi a se averterentur. Haec cum pluribus verbis flens a Caesare peteret, Caesar eius dextram prendit; consolatus rogat finem orandi faciat; tanti eius apud se gratiam esse ostendit uti et rei publicae iniuriam et suum dolorem eius voluntati ac precibus condonet. Dumnorigem ad se vocat, fratrem adhibet; quae in eo reprehendat ostendit; quae ipse intellegat, quae civitas queratur proponit; monet ut in reliquum tempus omnes suspiciones vitet; praeterita se Diviciaco fratri condonare dicit. Dumnorigi custodes ponit, ut quae agat, quibuscum loquatur scire possit.
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